Bei der Verteilung der Sitze im Bundestag nach den Bundestagswahlen werden laut Bundeswahlgesetz1 nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben.
Warum gibt es die Fünf-Prozent-Hürde?
Die Fünf-Prozent-Hürde soll verhindern, dass es in deutschen Parlamenten zu einer starken Zersplitterung kommt.2 Laut dem Bundesverfassungsgericht würde diese die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung erschweren.3
Die Sperrklausel gilt nur bei der Bundestagswahl und bei Landtagswahlen. Auf kommunaler Ebene gibt es meist keine Fünf-Prozent-Hürde. Auch bei der Europawahl wurde die Hürde nach der Wahl 2009 abgeschafft. Kleine Parteien haben seitdem gute Chancen, zumindest mit einem/einer Abgeordneten ins Europaparlament einzuziehen.
Kritik an der Klausel
Während die etablierten Parteien die Klausel befürworten und argumentieren, dass ohne die Fünf-Prozent-Hürde die Funktionstüchtigkeit des Parlaments eingeschränkt würde, betonen die Gegner der Klausel, dass es undemokratisch sei, Wählerstimmen unter den Tisch fallen zu lassen.4 Die Klausel widerspreche dem Grundgesetz, wonach jede Stimme den gleichen Wert haben müsse.
Zu den Gegnern der Fünf-Prozent-Hürde zählen neben den Kleinparteien auch mehrere Politikwissenschaftler: Der Politologe Frank Decker schrieb 2011, dass wenn der Wahlakt die wichtigste Form der politischen Partizipation darstelle, das Wahlrecht auch so konstruiert sein müsse, dass möglichst jede Stimme zähle.5 Auch der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter resümierte nach der Bundestagswahl 2013: „Man könnte mal darüber nachdenken, ob die Fünf-Prozent-Hürde in ihrer Höhe noch zeitgemäß ist – angesichts der Tatsache dass wir eine gewisse Stabilisierung des politischen Systems haben.“
Viele Stimmen bleiben unberücksichtigt
Bei der Bundestagswahl 2013 blieben durch die Fünf-Prozent-Hürde 6,86 Millionen Zweitstimmen (15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen) unberücksichtigt. Das ist mehr als die Bevölkerung von Hessen oder die Einwohnerzahl der drei größten Städte Deutschlands (Berlin, Hamburg und München) zusammen.
All diese Stimmen fielen damals einfach unter den Tisch, was bedeutet, dass 6,86 Millionen Bundesbürger umsonst gewählt haben (was die Zweitstimme angeht) und ihre Meinung nicht im Bundestag vertreten wurde. Ebenso wenig wurden diese 6,86 Millionen Bürger in der Exekutive (Bundesregierung) vertreten, da diese direkt und indirekt vom Bundestag gewählt beziehungsweise ernannt wird.
Bei der Bundestagswahl 2017 war der Anteil der unberücksichtigten Stimmen mit 5,0 Prozent zwar um einiges kleiner als 2013, unerheblich war die Zahl aber nicht: Durch die Fünf-Prozent-Hürde gingen insgesamt 2,33 Millionen Wählerstimmen verloren.
Unberücksichtigte Stimmen sind doppelt verloren
Der deutsche politische Kritiker Hans Herbert von Arnim unterstreicht neben dem undemokratischen Grundsatz der Fünf-Prozent-Hürde den doppelten negativen Effekt der unberücksichtigten Stimmen:
„Zum einen bleibt das Gefühl zurück, dass die eigene Stimme nicht zählt. Zum anderen halfen diese Menschen indirekt auch noch jenen Parteien, die sie gar nicht gewählt haben.“
Tatsächlich bleiben die Sitze im Parlament, die zu den unberücksichtigten Stimmen gehören sollten, nicht nur unbesetzt, sondern werden zwischen den großen Parteien verteilt. Diese abgegebenen Stimmen dienen also den größten Parteien am meisten.6
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- Bundeswahlgesetz, § 6 Wahl nach Landeslisten, Punkt 3
- Website des Deutschen Bundestags, Sperrklausel (Fünf-Prozent-Hürde), abgerufen am 04.08.2021
- Süddeutsche.de, Verfassungsgericht kippt Drei-Prozent-Hürde bei Europawahl, 26.02.2014
- Stuttgarter Zeitung, Groko will Sperrklausel: Zwei-Prozent-Hürde fürs EU-Parlament soll kommen, 26.09.2018
- Kontext Wochenzeitung, Landtagswahl Baden-Württemberg: Jede achte Stimme für die Tonne, 17.03.2021
- Wikipedia-Seite über Hans Herbert von Arnim, Abschnitt „Einfluss auf die Rechtsprechung“, abgerufen am 13.08.2021