Seit vierzig Jahren sinkt die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in Deutschland. Obwohl der Rückgang nicht kontinuierlich verläuft, ist der bisherige Trend eindeutig.
- Die Wahlbeteiligung hatte ihren Höhepunkt bei der Bundestagswahl 1972 mit 91,1 Prozent.
- Ihren historischen Tiefstand erreichte die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2009: Nur 70,8 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen.
- Bei der Bundestagswahl 2017 stieg die Wahlbeteiligung um 4,7 Prozentpunkte auf 76,2 Prozent, der höchste Anstieg seit der Bundestagswahl 1953.1
- Und auch bei der Bundestagswahl 2021 stieg die Wahlbeteiligung weiter an – von 76,2 auf 76,6 Prozent.
Wahlbeteiligung
Vergleich Europawahlen
Deutschland verzeichnete bis zur Bundestagswahl 2013 den zweitgrößten Rückgang2 bei der Wahlbeteiligung von allen „westlichen Demokratien“, hinter Portugal und vor Frankreich.
Die AfD führte zu einer Steigerung der Wahlbeteiligung
Bei Wahlforschern herrscht Konsens darüber, dass der Erstauftritt der AfD bei einer Bundestagswahl die Wahlbeteiligung steigen ließ,3 und dies gleich aus zwei Gründen. Zum einen stimmten laut Infratest dimap 1,47 Millionen bisherige Nichtwähler für die AfD,4 zum anderen zog die Angst vor einem Wahlsieg der AfD mehr Anhänger der Alt-Parteien in die Wahllokale.
Hohe Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2021
Vor der Bundestagswahl veröffentlichte das Wahlforschungsinstitut Forsa bei seiner wöchentlichen „Sonntagsfrage“ den Anteil der „Nichtwähler und Unentschlossenen“ – dieser betrug zuletzt 24 Prozent. Forsa prognostizierte also eine Wahlbeteiligung von 76 Prozent, und kam der tatsächlichen Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent damit beeindruckend nahe.
Schon bei den vergangenen Bundestagswahlen hatte sich dieses Umfrageergebnis als relativ zuverlässig gezeigt, um zumindest die Größenordnung der Wahlbeteiligung bei der nächsten Bundestagswahl abschätzen zu können.
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Durch die gestiegene Polarisierung des Parteiensystems und trotz des schwindenden Vertrauens in Politik und Parteien stieg die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2021 weiter an. An der Größenordnung ändert sich allerdings nicht viel: Denn etwa ein Viertel der Wahlberechtigten ging nicht zur Urne.
Enthaltungen bei Wahlen sind oft politisch motiviert
Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung5 sind Nichtwähler durchaus politisch interessiert und informiert, sie beobachten das politische Geschehen sowie die Wahlkampfaktivitäten der Parteien. Die Hauptmotive der Nichtwähler, sich nicht (mehr) an Wahlen zu beteiligen, sind geradezu politisch: Unmut über Politiker sowie Unzufriedenheit mit Programme der Parteien sind die Hauptgründe für die Enthaltung bei den Bundestagswahlen.
Laut der oben genannten Studie werden folgende Gründe für die Wahlabstinenz am häufigsten angegeben6 (es waren mehrere Angaben möglich):
- 34 %: Die Politiker haben kein Ohr mehr für die Sorgen der kleinen Leute
- 31 %: Den Politikern geht es doch nur um ihre eigene politische Karriere
- 24 %: Ich bin mit dem ganzen politischen System so unzufrieden, dass ich nicht zur Wahl gehe
- 21 %: Die Parteien unterscheiden sich nicht mehr voneinander
- 20 %: Es lohnt sich nicht zur Wahl zu gehen, weil man mit seiner Stimme ohnehin nichts bewirken kann
- 18 %: Keine Partei vertritt meine Interessen
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Ungültige Stimmen (Leerstimmen) bei Bundestagswahlen
Seit der Wiedervereinigung liegt die Anzahl der ungültigen Zweitstimmen bei Bundestagswahlen zwischen 540 000 und 756 000. Als Schätzung der Anzahl von ungültigen Stimmen bei der Bundestagswahl 2017 wird willkürlich der Durchschnitt der letzten 4 Bundestagswahlen berechnet: 640 000. In Ermangelung einer echten Schätzung oder Prognose wird dieser Wert für Diagramme auf dieser Website angewendet.
Nicht-Anerkennung von ungültige Stimmen (Leerstimmen)
Leere Wahlzettel gelten nach dem Bundeswahlgesetz als ungültig7. In einigen Ländern gelten Leerstimmen als wichtiges Wahlkonzept, als Ausdrucksmöglichkeit der Wähler: Diese Wahlzettel werden gezählt und nicht sofort für ungültig erklärt. In diesen Ländern sind leere Stimmzettel eine Wahloption, die es den Wählern ermöglicht, ihre Ablehnung aller Kandidaten oder aller Parteien zum Ausdruck zu bringen.
Im englischsprachigen Raum werden leere Wahlzettel als NOTA bezeichnet: „None Of The Above“ für „Keine der oben genannten“8. In Frankreich ist der „vote blanc“ ein oft erwähntes Element der politischen Debatte, in Spanien ist der „voto en blanco“ im Wahlgesetz verankert. Indien, die größte sogenannte Demokratie mit mehr als 1 250 Millionen Einwohnern, davon 814,5 Millionen Wahlberechtigte, zählt Leerstimmen (NOTA) als Wahloption. Bei der Parlamentswahl 2013 gab es allerdings nur 1,1 Prozent NOTA-Stimmen, etwa 6 Millionen Wähler.
Bei Wahlen in Deutschland gibt es keine NOTA-Option, also keine Möglichkeit, seine politische Unzufriedenheit über die Parteien und Kandidaten auszudrücken. Es gibt zahlreiche Gründe 9 für die Ungültigkeit der Wahlzettel, und da die Anzahl der leeren Wahlzettel nicht ermittelt wird, ist eine Schätzung der aus Protest absichtlich abgegebenen leeren Stimmen nicht möglich.
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- Quelle: Informationen des Bundeswahlleiters: Ergebnisse früherer Bundestagswahlen, Seite 8.
- Quelle: Manfred Güllner: Nichtwähler in Deutschland (PDF), Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2013. Seite 12: Rückgang der Wahlbeteiligung seit 1983 in ausgewählten Ländern.
- Quelle: Handelsblatt, AfD treibt Wahlbeteiligung nach oben, 25.09.2017
- Quelle: Zeit Online, Merkel-Enttäuschte und Nichtwähler machen die AfD stark, 24.09.2017
- Ibid.
- Ibid., Seite 72.
- Bundeswahlgesetz:
§ 39 Ungültige Stimmen, Zurückweisung von Wahlbriefen, Auslegungsregeln - Wikipedia: None of the Above (auf Englisch)
- Siehe Fußnote 1